Geschichte der Johanniswiese
Baden und Schwimmen wird populär
Wer im Sommer Erfrischung sucht, badet zunächst an geeigneten Stellen in der Innerste. Im 19. Jahrhundert entstehen von der Domäne Marienburg bis nach Himmelsthür zahlreiche Flussbadeanstalten entlang der Innerste. Die meisten „Bäder“ verfügen jedoch über keinerlei Infrastruktur, erfreuen sich aber bei Jung und Alt äußerster Beliebtheit. Neben der Körperhygiene stehen vor allem das Schwimmenlernen sowie der Spaßfaktor im Vordergrund. So vergnügen sich beispielsweise die Itzumer an der Kuhbrücke nahe der Domäne Marienburg in der Innerste. Ein seichter Zugang bietet hier auch Nichtschwimmern einen sicheren Zugang ins erfrischende Nass.
Hildesheims erste Badeanstalten
Bevor überhaupt das Turnen in Hildesheim populär wurde, war das Schwimmen bereits seit 1831 ein beliebtes Vergnügen. In diesem Jahr wurde an der Hohnsenbrücke die erste Innerste-Badeanstalt eröffnet, die um die Jahrhundertwende als „Murkes Badeanstalt“ Bekanntheit erlangte. 1855 kam dann die zweite Badeanstalt an der Schützenwiese hinzu. Doch blieb der Schwimmsport zunächst allein dem männlichen Geschlecht vorbehalten, ehe die ersten, durch Holzzäune abgeschirmten Damenbäder hinzukamen. Die beiden Innerste-Freibäder ersetzte schließlich die JoWiese, die in Drispenstedt eine Ergänzung durch den Müggelsee fand.
Seit 1911 in gelenkten Bahnen
Der wilde Badebetrieb wird mit der Eröffnung der ersten städtischen „Flußbade- und Schwimmanstalt“ am 21. Juni 1911 in geordnete Bahnen gelenkt. Fortan steht den Hildesheimerinnen und Hildesheimern an der Neustädter Bürgerwiese in unmittelbarer Nähe zur Dreibogenbrücke eine adäquate Einrichtung zur Verfügung. Die von Anbeginn auch vom hiesigen Militär stark frequentierte Einrichtung verfügt über Umkleidekabinen und eine kleine Bude, die dem Schwimmmeister als Aufenthaltsraum dient. Zwischen 12 und 14 Uhr steht die Anlage allein Frauen zur Verfügung. 1937 wird diese Anlage baulich erneuert. Fortan gibt es pofreundliche, da gehobelte Bänke, für das Aufhängen der Kleidung dienen Holzhaken anstatt Eisennägel – welch ein Luxus! Einige hundert Meter weiter gibt es im Freibad des Sportvereins Concordia sogar eine von Vereinsmitgliedern selbstkonstruierte Dusche. Dazu musste zunächst Innerstewasser mittels einer Schwengelpumpe in einen Hochbehälter befördert werden.
Ab 1915 Schwimmvergnügen in zwei Badeanstalten
Bereits vor dem Ersten Weltkrieg werden erste Gedanken für eine „stromfreie“, also nicht im Fluss liegende Badeanstalt formuliert. Forciert wird dieses Projekt von den bereits damals existierenden Schwimmvereinen HSV, Poseidon und Hellas. Doch der Erste Weltkrieg verhindert die Realisierung. Da auch die Bevölkerung des Moritzberges und der Nordstadt den Wunsch nach einer Badeanstalt am Unterlauf der Innerste äußerten, beschlossen die städtischen Kollegien am 1. Juli 1915 in der Nähe der früheren Freibadeanstalt Schützenwiese eine zweite Flußbadeanstalt zu errichten und diesen Bau gemeinsam mit der notwendig gewordenen Innersteregulierung durch Arbeitssoldaten vornehmen zu lassen. Diese Badeanstalt wird am 2. August 1915 dem Betrieb übergeben und vorwiegend vom Militär genutzt, die Zivilbevölkerung kann die Anstalt zunächst nur in den Abendstunden von 17 bis 19 Uhr nutzen, Frauen in der Zeit von 8 bis 10 Uhr. Somit besaß Hildesheim während des Ersten Weltkrieges zwei florierende Badeanstalten.
Jowiese, wie alles begann
Ab 1919 steigt das Interesse am Schwimmen. Auch gehen zunehmend mehr Frauen in die Badeanstalt, was schließlich zum Plan führt, eine neue Flußbadeanstalt zu errichten. Erst zwei Jahre später entsteht in mühsamer Handarbeit auf der im Überschwemmungsgebiet der Innerste gelegenen Johanniswiese südlich des Verbindungsweges zwischen Lucienvörder Allee und Alfelder Straße zunächst eines von zwei getrennten Schwimmbecken, das Männerbad (20 x 50 m) mit einem Nichtschwimmerbassin (10 x 20 m). Der Erdaushub dient der Erhöhung des Geländes. Gefiltertes Innerstewasser speist die nicht in Beton gefertigten, sondern nur notdürftig befestigten Becken. 1922 geht die sehnsüchtig erwartete Anlage an den Start. An heißen Sommertagen tummeln sich fortan bis zu 7.500 Hildesheimerinnen und Hildesheimer in der JoWiese. 1923 folgt ein zweites Becken (20 x 40 m) für die Frauen, das ebenfalls über ein Nichtschwimmerbassin (10 x 20 m) verfügt. Am 1. Mai 1924 ist die durch Licht- und Luftbäder mit Sandliegeplätzen, Turn- und Spielplätze ergänzte Anlage vervollständigt.
Das Haupteingangsgebäude beherbergt neben den Umkleideräumen eine Vierzimmerwohnung für den Bademeister. Weitere Umkleideräume befinden sich neben den Klubhäusern. 1922 besuchen 22.000 Hildesheimerinnen und Hildesheimer die Jowiese, 1923 bereits 130.000 Bürger, 1924 werden knapp 209.000 und im Folgejahr 300.000 Gäste gezählt. Die verregneten Sommer 1926 und 1927 ziehen nur knapp 74.000 respektive 62.000 Besucher in die Badeanstalt.
Von Häuschen, Wettkämpfen, Sonnen- und Luftbädern
Durch die neue Anlage erlebt der Schwimmsport in Hildesheim einen ungeheuren Aufschwung. Rund um die Anlage errichten die örtlichen Schwimmvereine kleine Häuschen als Stützpunkte für ihre Aktivitäten. Aufgrund der guten Verbindungen, die die Vereine überregional unterhalten, wird die JoWiese Ort unzähliger Schwimmwettkämpfe, die ein begeisterungsfähiges Publikum begleitet.
Weiterhin beliebt bleibt das bereits seit dem 19. Jahrhundert bestehende Wilhelm-Murke-Bad an der heutigen Hohnsenbrücke. Hier gab es neben Umkleidehütten sogar einen Sprungturm. 1934 vereinnahmt die NS-Volkswohlfahrt das Bad und bietet dort für 120 Jungen und Mädchen neben Luft- und Sonnenbädern sogar Mittagstisch an.
Erst „Schluss mit lustig“, dann ganz im Stil der Zeit
Nach dem Zweiten Weltkrieg müssen die schwimmfreudigen Hildesheimerinnen und Hildesheimer sich wieder anderweitig organisieren, da die britischen Besatzungstruppen das Freibad JoWiese beschlagnahmen. Erst 1950 dürfen sie wieder auf ihre geliebte JoWiese ziehen und sich wieder in den beiden Becken tummeln. Für die jüngsten Badegäste entsteht ganz im Nierentischstil der 1950er Jahre ein neues Nichtschwimmerbecken mit Wasserrutsche, liebevoll auch das „Sülzkotelett“ genannt. Ein Planschbecken lockt zudem die Allerkleinsten. Gleichzeitig weicht das südliche Schwimmbecken einer großzügigen Liegewiese.
JoWiese wird auch Strandbad
Am 22. November 1965 beschließt der Rat der Stadt Hildesheim, das Gebiet südlich der JoWiese als Naherholungsgebiet auszuweisen und entsprechend umzugestalten. Ein Jahr später beginnt man mit dem Kiesabbau, der sich über acht Jahre hinzieht. Bereits ab 1968 nutzten Jugendliche den im Entstehen befindlichen Baggersee als Badegelegenheit. Die feierliche Einweihung der Gesamtanlage Hohnsensee erfolgt am 26. Mai 1974. Seitdem vermittelt das JoWiesen-Bad mit seinem großzügig bemessenen Strand ein Gefühl von Ostseeurlaub – und das vor den Toren Hildesheims an der Innerste!
In die Jahre gekommen
In den 1980er Jahren zeichnet sich allmählich ein Renovierungs- und Erneuerungsstau ab, der 1989 in einem Komplettumbau des Freibades mündet. Alle bisherigen Wasserbecken haben nun ausgedient. Das Gelände wird komplett überarbeitet und die Wasserbecken allesamt neu angelegt. Ganz im Zeichen der Zeit wird das neue Nichtschwimmerbecken mit einer Großrutsche ausgestattet. Sport- und Spielplätze ergänzen die Anlage und helfen der JoWiese attraktiver zu werden.
2010 Strandbad war gestern, JoBeach muss es sein
Die JoWiese ging immer und geht auch zukünftig mit der Zeit. Im Jahr 2010 wird das Freibad mit dem Strandbad JoBeach um einen zeitgemäßen Beach mit vielen Attraktionen bis in die Abendstunden hinein bereichert.
Eine neue Ära beginnt: Die Event Werft übernimmt die JoWiese und eröffnet den JoBeach
Seit dem hat sich viel getan in Niedersachsens wohl schönstem Frei- und Strandbad. Die JoWiese trägt das Qualitätszertifikat „KinderFerienLand Niedersachsen“, eine Auszeichnung der TourismusMarketing Niedersachsen GmbH und des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr für besondere Familien- und Kinderfreundlichkeit. Die Einlass- und Kassensituation nutzt nun moderne Technik und hilft bei der Besucherstatistik. Die Gäste loben die renovierten Umkleide- und Duschräume. Die Schwimmbadtechnik wurde rundum erneuert. Die WiesenTerasse mit ihrer Gastronomie und der Kinderspielplatz sind auch kostenfrei zugänglich und laden die zahlreichen Spaziergänger am Hohnsensee zu einer Pause ein. Außerdem steht die Schaffung einer barrierefreien Zugänglichkeit ganz oben auf der Agenda. Der JoBeach erfreut sich bei den Hildesheimern größter Beliebtheit und die Bürger aus Stadt und Landkreis verbringen dort gerne chillige Abendstunden bis zum Sonnenuntergang mit Blick auf ihren Hohnsensee.
(Recherche und Texte: Dr. Stefan Bölke)